Montag, 6. September 2004

...

ich muß mich anstrengen, am riemen reißen:
gestern nachmittag begleitete ich meine frau zum elternhaus ihrer kollegin, die am 22.8. im alter von 28 jahren starb ( https://parallalie.twoday.net/stories/309290/ ): plötzlich und unerwartet, wie es so schön heißt. ein aufrechter vater, eine gebeugte mutter erwarteten uns. und ich mußte gleich zugeben - als einleitung -: "non ho fatto in tempo a conoscerla". draußen noch die tante, schwester des vaters, die sich zu uns setzte, die schwester der kollegin, hochschwanger, die schwägerin der kollegin, ein nicht mehr als einjähriges mädchen im arm. ein angebundener zutraulicher hund. ein alleinstehendes haus, das wir schwierigkeiten hatten zu finden. der vater seit eh und je ein schafzüchter. gebürtig aus den abruzzen wie meine frau. "pecorari" nennt man sie wohl zuweilen abwertend, die abruzzesen.
(und den vornamen meiner frau, ornella, verdanken die italiener ihm, gabriele d'annunzio, abruzzese auch er: "La figlia di Iorio").
gespräche über tod und nicht-leben, über trotzdem-leben und leben. kaffee wurde angeboten. das zimmer der toten wurde gezeigt. und mir fiel glühendheiß ein, daß ja die fotos von meinem haus, die ich hier und da eingestreut habe in meine beiden weblogs, mit ihrer - SIMONAs - digitalcamera gemacht wurden. und die drei fotos von ihr mit leuchtend roten haaren, die im speicher der digitalcamera noch vorhanden waren, hatte ich damals gelöscht!
dann zum friedhof. das stille vorläufige grab. in der ecke. blumen, daß kaum noch platz war für andere. gerührt war ich auch: da fand ich die ganze familie wieder, sohn und schwiegersohn gossen wasser auf die blumen, rückten zurecht.
und ganz nachhaltig sie, die hochschwangere frau, nie sah ich so sehr eine werdende mutter. die zeit sei vorbei, in den nächsten zehn tagen sei es soweit! die gedrungene gestalt, der vorwölbende bauch, die dicken runden schenkel, die lippen selbst waren fast schon sinnlich selber vorgewölbt. alles an ihr war kommende mutter, alles war nahrung für das kommende kind. sie selbst war das kind, das sie in sich trug. all das, während das knapp einjährige mädchen dem großvater - ganz konzentriert in diese tätigkeit - weiße haare aus der von 1-2 knöpfen freigelassenen brust zupfte.
was mich dabei im grunde beeindruckte, war dies selbstverständliche, das dem schmerz trotzt, weil es sich nicht verdrängen lassen will vom tod. auch wenn er fürchterlich niederdrückt und nacken beugt und unfrieden stiftet in einem. (wie mir: dem katharsis nicht gegeben war dort: ich durfte nur ein leben nach dem tod aufbauen, kein vorleben rekonstruieren (also ward ich zurückgeworfen auf "meine toten")).

...

wieder einmal hatte die nacht vergessen, tag zu werden. aber auch, den menschen klarzumachen, daß ihnen nun die nacht leuchte und nicht der hinter dem horizont vergessene tag. in der umnachtung des nachttags (gab es eigentlich je eine "umtagung"?) tappten die dinge wie in einer blindlings schon funktionierenden routine auf die menschen zu, spielten sich ihnen in die hände, wurden gehandhabt. niemand merkte etwas. die nacht war geschickt im verbergen ihrer fehler: tricky night. alles nahm - wie sonst auch - seinen lauf, denn alles war aufeinander abgespielt, das leben selbst schon wie auswendig gelernt. die körper selbst verrichteten, was sie gewohnt waren zu verrichten. indes, die köpfe träumten wie stets, ob tagsüber oder nachts, lichtes und dunkles durcheinander. denen war's also eh egal.
als ich mich dann endlich herauswand aus diesen dunklen visionen, war's meine rechte hand, die in einem eitlen anfall gebildeter hybris sprach: "fiat lux!" - et voilà: "le jour s'est fait."

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