Sonntag, 31. Juli 2005

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als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten)))))

...

[Wo das Meer stillsteht 3,3]

Museumsfenster mit den eingravierten namen verschiedener ozeane

kein ozean wie dieser absolute stillstand
worte – gelähmt an fenstern
du liest einen anderen sturm
tief eingraviert in die steinmauer
die einzige zeit, die das museum sammelt, ist zerbrechlich wie glas
du stehst hier – bist jahrelang gesegelt von meer zu meer
du siehst – wieder und wieder vom himmel überschwemmte bäume
grün – stille drohung
laß den namen eines meeres all seine toten befehligen
niemand vermag ein unbenanntes meer zu erreichen
laß einen lebendigen schädel seine gedanken dem frühling bloßlegen
die erklärung des grabsteins scheint vollkommen klar

an einem anderen ufer wurdest du nackt ausgezogen
das meer stürzt ringsum herab – all die fleischig-, fleischfressenden blätter
karten – haie wandern durch die sammlung
überall unter wasser blasse zähne, die lebendige seelen ankratzen
wassertropfen mit bedingungslosem hunger und durst
ist es völlig beraubt – wird ein phantasieklavier zerschlagen
das schauen so durchsichtig – endet in einem auge
die lügenstimme des glases – läßt ohren nur noch mehr aufgellen
was du berührst, sind nichts als die wellen deiner fingerabdrücke
von dem selben wahnsinn erdrosselt auf der anderes seite des fensters

der blaßgelbe schädel des mondes – läßt zeit ihr messer schärfen
auf dem antlitz des museums graviert mondlicht, was es lang schon zerstört
die schweren baumwipfel eines jeden ozeans
benutzen dich, um wurzeln zu schlagen – damit der frühling im abfließen dir zufließt
der tod ein samen, so viel grüner als du
in gleichbleibender zeit – litten fußabdrücke auf dem meer seit eh und je
keiner weiß, welcher name dazu führte, daß das begräbnis unendlich währt
ein für immer geschlossenes fenster
hält den ozean außerhalb der flasche – was überläuft, ist licht
der sturm kondensiert deinen körper nach dem tod zu phosphoreszenz
ganz und gar – ausgelöscht, bevor du zurückkehrst

[Wo das Meer stillsteht 3,2] <<>> [Wo das Meer stillsteht 3,4]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

...

Literatur ist der Versuch, mit einem Schmerz zu sprechen.
Wilhelm GENAZINO, Der gedehnte Blick

und findet ihren (seinen) ausdruck : im daumen : der die als aschenbecher benutzte untertasse : (am morgen kippenüberbordend) : unter dem wasserhahn : zärtlich blank reibt von allen aschenresten : so steht die untertasse : dann wieder ein weilchen : makellos auf dem schreibtisch : und ein weilchen : reicht der respekt : vor der makellosigkeit : sogar dafür : eben mal nicht eine zigarette anzustecken : doch der schmerz : macht sich wieder bemerkbar : der stumme mund : braucht berührung : sei's die kaffeetasse : sei's die zigarette : von fingernägeln selbst halte ich persönlich nichts : aber möglich auch : daß die zunge selbst : sich über den mund fährt : auf der suche nach dem schmerz : nein es tut nicht weh

In den belebtesten Straßen Wiens findet man kleine billige Läden, über deren Eingang steht groß und breit das Wort ROMANE.
ebd.


und die hände selbst : suchen nach gegenständen : damit sie diesen schmerz : auf sie übertragen können : oder sie befragen : nach dem wesen dieses schmerzes : und doch vollzieht sich : das weh : im kopf : der in allem unserem tun : nach analogien sucht : denn der schmerz ist wortlos : also braucht er abbilder : und die drei vier mücken auf der gardine : sind nur ein ärgernis : aber kein schmerz : der materialisiert sich eher im sonnenstrahl : in dem sich der rauch schlingernd ergeht

In diesem Sinn erlaubt uns der Ort der Handlung stets auch etwas Unerhörtes: die momentweise Besichtigung des Unaussprechlichen.
ebd.


beliebigkeit der schmerzen : alles was du mir nennst, das fehlet mir : (Jean Paul) : namenlosigkeit : benennungsunfähigkeit : sich selbst auch fehlen : plötzlich : unvermittelt : wie gestern abend : erschöpft von musikalischen turnübungen : verschwitzt : die haare klatschnaß : als hätte ich mich aus mir herausgeschwitzt : war ich plötzlich nicht mehr da : oder ich hatte mich so intensiv : in mein spiegelbild hineinprojiziert : daß ich plötzlich leer im raum stand : lange konnte ich diesen schmerz nicht genießen : ich schlief bald ein

Den Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt!
Faust I, Nacht

...

Woran erkennt man die Bedeutung eines Menschen für das eigene Leben? Auch daran, daß man sich später, im Zu-Späten, immer wieder wünscht, noch einmal mit ihm reden zu können. Ich würde es gern tun, um ihm Respekt und Liebe zu bezeigen - und um ihm zu widersprechen.

Hans WOLLSCHLÄGER zu Adorno in "Moments musicaux. Tage mit TWA"

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